Ich bin großer Craft-Beer-Fan. Wenn die Getränkekarte nur „Pils“ oder „Kölsch“ ausweist, möchte ich am liebsten flüchten. Etwas mehr Vielfalt, bitte! Was beim Wein üblich ist, nämlich eine ausdifferenzierte Karte, findet sich beim Bier noch viel zu selten. Aber was genau ist Craft Beer eigentlich?

Diese Frage wird auch unter eingefleischten Bier-Nerds immer wieder diskutiert. Häufig fällt dann der Hinweis, dass es keine international einheitliche Definition gibt. Das stimmt, es finden sich tatsächlich nur Annäherungen und eine amerikanische Definition , schließlich stammt die Craft-Beer-Bewegung aus den USA (wobei: welche Instanz wäre international geeignet, eine solche Definition verbindlich festzulegen?).
Die Wortbedeutung
Die Zusammensetzung aus„craft“ (Handwerk) und „beer“ steht erst einmal für eines, für handwerklich gebrautes Bier. Hier wird also unterschieden, ob der Brauer wirklich selbst am Braukessel steht und Hand anlegt, oder ob (wie bei großen Braukonzernen) computergesteuerte Maschinen den kompletten Prozess übernehmen.
Doch da beginnt schon der Streit, denn es gibt ja Mittelwege: Wie viel Brautätigkeit muss von Hand durchgeführt werden, wo darf die Maschine unterstützen? Bei unseren Bonner Craft-Beer-Brauern wird tatsächlich noch alles per Hand gemacht. Craft-Beer-Marken mit einem sehr großem Ausstoß werden dagegen kaum jeden Arbeitsschritt händisch durchführen – dennoch würde man sie sicherlich noch als Craft Beer sehen.


Das Verständnis der Konsumenten
Für viele Konsumenten gelten häufig alle neuen (oder wiederbelebten) Bierstile als Craft Beer. Ein Craft Beer ist in diesem Sinne also ein ungewöhnlicher Braustil. Nach dieser Erklärung könnten Pils, Kölsch und Weizen keine Crafts sein. Craft Beer wäre dann nur das, was neben dem Mainstream gebraut wird, also IPA, Gose etc. (falls ihr nicht wisst, was das ist: hier findet ihr mein Bierlexikon!)
Dieser Ansatz ist weit verbreitet. Auch viele Wirte labeln ihre Karten so, dass alles Seltene als Craft Beer gilt. Mir greift diese Definition zu kurz. Denn ein Pils kann sehr wohl handgemacht sein. Craft Beer ist eigentlich keine Frage des was, sondern eine Frage des wie.
Fakt ist aber auch: Viele traditionelle Brauereien, vor allem in Süddeutschland oder auch in Gasthausbrauereien, brauen zwar sehr gutes handgemachtes Bier in kleinen Chargen, sehen sich aber selten als Craft-Beer-Brauer. Dies liegt sicherlich auch daran, dass hier vor allem traditionelle Biere gebraut werden und die Craft-Beer-Idee dann doch ungewöhnliche Bierstile in den Mittelpunkt stellt.

Die Produktionsmenge
Ein weiterer Ansatz lautet: Ein Craft Beer ist ein Bier mit einer geringen Produktionsmenge. Dieser Ansatz stammt aus den USA und soll die kleinen Biere von der Massenproduktion abgrenzen. Nach dieser Definition ist Craft Beer eine Frage des wie viel. Das ist eine löbliche Idee, passt aber nicht zu den weltweiten Verhältnissen. Denn die US-amerikanische Brauervereinigung orientiert sich an amerikanischen Größenordnungen und hat die Grenze auf immerhin 9 Millionen Hektoliter Jahresproduktion festgelegt. Nur zum Vergleich: Warsteiner produziert z.Zt. etwa 2,5 Millionen Hektoliter Bier im Jahr – und ist sicherlich kein Craft Beer.
Um es an einem Beispiel zu verdeutlichen: Sierra Nevada Brewing begann in den 1980er als Experimentierstätte einiger durchgeknallter Jungs, die Bock auf neue Bierstile hatten, erkannte den Trend und ist heute die siebtgrößte Brauerei der USA mit über einer Millionen Hektoliter Jahresproduktion. Spannende, experimentelle Bierstile werden hier immer noch gebraut und man findet Sierra Nevada in jedem Craft-Beer-Shop. Handarbeit kann man bei einer Millionen Hektolitern allerdings nicht mehr erwarten.

Fazit
Für mich liegt die zentrale Idee von Craft Beer im Wortbestandteil „craft“: Ein Craft Beer sollte tatsächlich überwiegend von Hand gemacht sein. „Überwiegend“ heißt für mich: Die zentralen Schritte des Brauens müssen Handarbeit sein, also das Einmaischen, die Hopfengabe usw. Abfüllung oder Etikettierung sehe ich dagegen als sekundäre Schritte, die das eigentliche Produkt nicht mehr wesentlich verändern. Hier können also auch Maschinen helfen. Der konkrete Bierstil ist mir dabei egal, die Braustelle in Köln braut z.B. ein wunderbares Craft-Beer-Kölsch.
Aber ich gebe zu, auch diese Definition hinkt, denn wenn das Handgemachte zentral ist, dann ent-craftet sich jede kleine Brauerei durch ihr eigenes Wachstum. Ich sehe darin jedoch keinen Nachteil. Das Label „Craft“ sollte aus meiner Sicht den Kleinen vorbehalten sein, also denen, die wirklich Hand anlegen.

Ihr denkt jetzt vielleicht: Ja und, was soll`s? Hauptsache es schmeckt! Das stimmt sicherlich, aber ich würde mir wünschen, dass im Rahmen des aktuellen Trends nicht jedes Lokal oder jede Brauerei aus Gründen des Massenprofits mit auf den Zug aufspringt und plötzlich alles als Craft Beer labelt. Das macht eine schöne, alternative Bewegung mittelfristig kaputt. Und diese Bewegung sichert die Vielfalt im Bierglas.
Adressen in Bonn:
Wenn ihr euch für Craft Beer in Bonn interessiert, dann klickt auf diesen Link für eine Liste, wo ihr in Bonn und Umgebung gutes, handgemachtes Bier bekommt!
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