Heute wollen wir uns mal wieder einem echten Hintergrundbericht zum Thema Bier und Kneipen zuwenden, nämlich der sogenannten Brauereibindung in der Gastronomie. Vermutlich werden viele Leser unseres Blogs diesen Begriff schon einmal irgendwie gehört haben, denn eigentlich gehört die Brauereibindung zum Kneipenleben wie die Tafel zur Schule – allerdings finden wir sie auch ähnlich sexy und wollen deshalb kurz ihr Für und Wider darlegen.

Die Definition: Was ist eine Brauereibindung? Wie der Name schon sagt, bindet sich der Gastronom und Wirt an eine Brauerei. Und warum tut er das? Weil er dafür Geld bekommt, und zwar in Form eines Kredits, mit dem er z.B. sein Lokal ausstatten kann. Denn, das gilt es nicht zu vergessen, die Einrichtung eines gastronomischen Betriebs ist sehr teuer und Bankkredite stellen schnell eine hohe Belastung für eine Neugründung dar. Teilweise zahlen die Brauereien jedoch nicht nur Kredite, sondern liefern auch kostengünstig Sonnenschirme, Bestuhlung, Markisen, Eingangschilder etc. Aber das hat natürlich seinen Preis und der besteht keinesfalls nur darin, die Brauerei auf dem Eingangsschild oder den gelieferten Sonneschirmen zu bewerben. Anders als bei einem Bankkredit muss der Wirt den Brauerei-Kredit in der Regel nicht abbezahlen, sondern er verpflichtet sich zur Abnahme einer bestimmten Getränkemenge von der zahlenden Brauerei. Deshalb firmiert die Brauereibindung offiziell auch unter dem Namen Bierbezugsverpflichtungsvertrag. Ein Sehr deutsches Wort, dessen Länge eigentlich ein Statement an sich ist: der Wirt verpflicht sich vertraglich zur Abnahme einer bestimmten Getränkemenge „seiner“ Brauerei zu einem bestimmten festgelegten Preis. Das klingt erst einmal nach Vergünstigungen, aber dieser Eindruck täuscht. Häufig liegt der Preis für die abzunehmenden Getränke über Ladenpreis, denn auf diese Weise wird der gegebene Kredit abgestottert. Nun könnte sich der schlaue Wirt natürlich denken: was soll`s, führe ich halt den Namen der Brauerei, nehme Kredit und günstige Ausstattung mit und kaufe ihr Bier, aber ich kaufe es im Angebot der Getränke-Discounter oder im Gastro-Großhandel. Doch stopp, das ist Vertragsbruch! Obwohl nicht immer nachweisbar, gehen die Brauereien hiergegen verstärkt vor. Zudem läge der Einsparung für den Wirt eine Milchmädchenrechnung zugrunde, denn Abnahmemenge und Preis sind vertraglich fixiert und in der Regel so hoch angesetzt, dass selten zusätzliches „günstiges“ Bier benötigt wird. Je nach Vertrag ist es allerdings bei einigen Brauereien möglich, dass der Wirt Konkurrenzprodukte anbieten darf, wobei auch hier schnell ein Konflikt zur festgelegten Mindestabnahmemenge entsteht. Und natürlich gibt es viele Lokale, z.B. im Rheinland, die ein Kölsch, ein Pils und ein Weizen verschiedener Brauereien führen, aber dieser Scheinwiderspruch ist schnell geklärt, denn man darf sich nicht vom Etikett täuschen lassen: hinter fast allen Marken stehen heute Großkonzerne wie die Radeberger-Gruppe oder es gibt strategische Partnerschaften zwischen Pils- und Kölschbrauereien. Letztendlich nimmt der Wirt also doch nur die Getränke einer Braugruppe ab. Hinter den drei Begriffen Brauereibindung, Brauereikredit und Bierbezugsverpflichtungsvertrag verbirgt sich also immer das gleiche: ein sehr zweischneidiges Schwert.

Die Fakten: Brauereibindung als Regel oder als Ausnahme? Diese Frage ist für die deutsche Kneipenlandschaft einfach zu beantworten, denn die Brauereibindung bildet eindeutig die Regel. Valide Zahlen sind jedoch nicht einfach zu bekommen, immerhin handelt es sich um einen privat geschlossenen Vertrag zwischen Gastronom und Brauerei. Wir haben deshalb den Deutschen Brauerbund und den Hotel- und Gaststättenverband NRW (DEHOGA NRW) kontaktiert und nachgefragt. Ersterer verfügt über keine Informationen, zweiter bot uns eine Annäherung. Über empirisch erhobene Zahlen verfügt zwar auch die DEHOGA NRW nicht, aber Geschäftsführer Rainer Spenke geht für die reine Trink- und Kneipengastronomie von etwa 80% Brauereibindung aus. Das verwundert nicht, denn neben den oben genannten Kreditvorteilen gibt es in vielen Fällen auch gar keine echte Wahl: neue Pächter übernehmen in ihrem zu gründenden Betrieb nicht selten einen alten Brauereivertrag, teils tritt aber auch die Brauerei selbst als Verpächter auf – wobei letzteres Modell mittlerweile etwas aus der Mode gekommen ist.

Die Lage anderswo: Brauereibindung auch im Ausland? Auch hier fällt die Antwort einfach und kurz aus: eher nein. Will heißen: Der in Deutschland weitverbreitete Brauerei-Kredit ist im Ausland selten bekannt, lediglich Großbritannien verfügte lange über ein der deutschen Praxis vergleichbares System, das aber vor einiger Zeit gesetzlich gekippt wurde, so dass mittlerweile free pubs oder free houses überall aus dem Boden sprießen. Was der ohnehin beachtlichen Bierauswahl englischer Pubs – englische Brauereien produzieren selten nur ein Flaggschiff, sondern häufig mehrere Sorten – noch einmal einen weiteren Auftrieb verliehen hat. Und andere Länder sind fast immer frei von der deutschen Bindungs-Sucht, vielleicht auch bedingt durch leichtere Kreditvergabe der Banken an werdende Gastronomen. Der Biervielfalt steht das natürlich gut zu Gesicht – wir schrieben ja bereits über unsere Sicht auf Vielfalt im Bierglas.

Die Einschätzung: Brauereibindung als Fluch oder Segen? Das ist leider weniger klar zu beantworten und unsere Gespräche mit Bonner Kneipenwirten führten uns zu ganz unterschiedlichen Ergebnissen. Grundfrage vieler Wirte scheint zu sein, welche Anschaffungen sie aus eigener Kraft stemmen können. Sind die eigenen Mittel begrenzt oder benötigt ein schlecht laufendes Lokal eine Modernisierung, dann ist der Brauereikredit gegebenenfalls das kleinere Übel. Wenn dazu die Wünsche der Kunden ebenfalls überschaubar sind, also das heimatliche Pils und dazu ein Korn ausreichen, dann engt die Brauereibindung kaum ein. Falls der Gastronom jedoch durch eine große Bierauswahl bestechen will, dann ist die Brauereibindung natürlich eine Falle, denn nur wenige Brauereien sind liberal und lassen Konkurrenzprodukte zu. Und die Falle kann endgültig zuschnappen, wenn sich in der häufig langen Laufzeit des Bierbezugsverpflichtungsvertrags die Mode ändert und ein ehemaliges Modebier in der Kundengunst sinkt, während andere Brauereien plötzlich en vogue sind. Wir möchten die Frage nach Fluch oder Segen jedoch nicht nur einseitig aus Gastonomensicht betrachten, sondern auch aus dem Blickwinkel der Brauereien: natürlich garantieren viele Brauereikredite über Jahrzehnte eine stabile Abnahmemenge des eigenen Biers. Aber was sagt es über eine Brauerei und ihre Produkte aus, wenn sie glaubt, den Wirt an das eigene Bier fesseln zu müssen, damit er ihr nicht davonläuft? Eine höchst erfolgreiche Brauerei bietet derartige Kredite deshalb auch gar nicht an, beispielsweise Augustiner nicht – Qualität benötigt vielleicht keine Fesseln…
Unsere Meinung: Natürlich verstehen wir die unübersehbaren Vorteile der Brauereibindung für kleine Lokale, vor allem für die typischen Veedels- und Eckkneipen, in denen es ja auch in Bonn viele gibt. Die Qualität der Getränke- und Bierauswahl steigt mit einem derartigen Vertrag jedoch nicht, weder sinkt der Preis. Deshalb wünschen wir uns natürlich eine Welt ohne Brauereibindung, denn damit ginge eine Öffnung des Marktes einher, da Wirte kleinere Brauer abseits der Großindustrie an den Hahn nehmen könnten. Für kleine lokale Produkte sowie den aktuellen Craftbeer-Trend wäre das wunderbar. Deshalb können wir getreu unseres Mottos „Kneipen – Vielfalt – Bonn“ zwar anerkennen, dass kleine Eckkneipen von der Brauereibindung profitieren, wünschen uns jedoch, dass mehr gestandene Lokale und vor allem Neugründungen Mut beweisen und sich von dieser unsäglichen deutschen Eigenart befreien. Und überhaupt – Bierbezugsverpflichtungsvertrag – das klingt ja schon so sexy wie die besagte Tafel in der Schule…
Ihr möchtet noch weitere Informationen zum Thema Brauereibindung? Dann schaut mal im Mixology-Magazin, dort findet sich ebenfalls ein aufschlussreicher Artikel. Konkrete Zahlen liefert auch das Bamberger Café Abseits auf seiner Homepage.
habe ein lokal übernommen was über 30jahre existiert mit eine Theke die ebenfals über 30jahre jahre da ist. bin Brauerei nicht gebunden und möchte mit eine andere Brauerei arbeiten. Meine Frage, kann die jetzige Brauerei mir die Theke rausholen wenn die so alt ist?befor ich mich erprest fuhle können sie die Theke lieber rausholen.
Hallo Teloudis, nein, die alte Brauerei wird dir sicherlich nicht die Theke aus dem Lokal nehmen, derartig lang laufen vertragliche Bindungen eigentlich nicht. Und du sagst ja selbst, dass du das Lokal ohne Brauereibindung übernommen hast (ggf. lohnt ein Blick ins Grundbuch, da wären derartige Verpflichtungen nämlich oft eingetragen). Also, freu dich über die schöne alte Theke! Wo ist dein Lokal denn?